Hohe Erwartungen & alte Rollen: Streit mit Eltern im Erwachsenenalter

03.03.2015

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Author: Redaktion
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Junger Studierender sitzt am Fenster und schaut nachdenklich nach draußen

Erst ein paar Tage zu Hause und schon wieder knallt es. Dabei haben wir uns doch so gefreut auf den Heimatbesuch. Warum ist das so? Warum gerät man so schnell mit seinen Eltern aneinander, wenn man doch eigentlich selbst erwachsener wird? Und was kann man gegen Streit mit den Eltern tun? Über alte Rollen und Akzeptanz.

Für viele geht im Moment das erste Semester zu Ende. Das erste halbe Jahr auf dem Weg zur Selbständigkeit ist aber auch für einige das erste halbe Jahr getrennt von der Familie. Das erste Mal die große Freiheit genießen und dann? Dann kommen die Semesterferien, die die meisten zu Hause verbringen. Bei den Eltern. Im Kinderzimmer. Natürlich kommen da alte Assoziationen hoch, auch unangenehme, aber viele sehnen sich bereits nach ein paar Tagen zurück in ihre eigenen vier Wände. Warum? Wir haben Studierende aus ganz Deutschland gefragt.

Geballtes Konfliktpotenzial – Von Alltag bis Zukunft

Was ist es denn nun, das uns so stört an unseren Liebsten? Die meisten Probleme entspringen dem Alltag. Das geht vom verzweifelten “putz doch bitte noch das Bad bevor du gehst” bis hin zum Klassiker unter den Streitauslösern, nämlich diesem allseits bekannten Satz: “Du verbringst viel zu wenig Zeit zu Hause!”. Wer kennt es nicht? Die besten Freund*innen sind in ganz Deutschland verstreut, nur jetzt gerade sind alle in der Heimat. Nach dem Abendessen mit der Familie will man dann nur noch raus und seine Leute sehen. Und sofort herrscht am Tisch eine Stimmung, so dass du befürchtest, du könntest enterbt werden.

Dass die Eltern den Stellenwert der Freunde nicht immer nachvollziehen können, ist klar. Die verschiedenen Alltagskonzepte der beiden Generationen bieten nämlich leider nur wenige Schnittpunkte. Wenn man sich allerdings einmal in dieser Schnittmenge befindet, wie beispielsweise beim Abendessen, bringen die persönlichen Eigenarten der Familienmitglieder unsere Befragten zur Weißglut. Dinge, die uns schon immer auf die Nerven gingen, und die das vermutlich auch immer tun werden. Darunter fallen aber auch Fragen über die Zukunft, die Studierende leicht aus der Fassung bringen (und nein, nach einem Semester Soziologie musst du noch nicht wissen, in welche Richtung du danach gehen willst, auch wenn dein Vater das jetzt wissen will).

Zwischen hohen Erwartungen und alten Rollenmustern – Woher kommt der Streit?

Vor dem Besuch hat man seine Familie meistens mehrere Monate nicht gesehen. Umso größer ist die Umstellung also, wieder mehrere Tage, meistens auch mehrere Wochen, wieder im alten Umfeld zu verbringen. In den Monaten davor hat man meist nur noch die positiven Eigenschaften der Familie im Kopf, die man vermisst, wenn man sich nicht sieht. Dazu kommen noch die guten Vorsätze, sich dieses mal zusammen zu reißen, denn man denkt, man sei schließlich so erwachsen geworden. Bei den Eltern ist das allerdings genauso: Wenn sie ihre Kinder ihr eigenes Leben leben sehen, betrachten sie sie als erwachsene, eigenständige Person. “Sobald man allerdings wieder zu Hause im gewohnten Umfeld aus der Kindheit zusammen wohnt, falle ich, aus der Sicht meiner Eltern, ziemlich schnell unfreiwillig wieder in die Kinderrolle zurück”, erinnert sich Lara* aus Hamburg und spricht damit für viele.

Die alten Rollenverhältnisse beherrschen immer noch das Familienleben, ob man will oder nicht. Dazu kommt noch, dass dich deine Familie in- und auswendig kennt, und du somit auf noch mehr Ebenen angreif- und verletzbar bist, als sonst. Ein stichelnder Kommentar über das richtige Thema reicht schon aus, und du bist an der Decke. Aber nicht nur für dich, sondern auch für deine Eltern ist diese Zeit manchmal nicht nur schön. Denn während das Zuhause für deine Eltern, die viel arbeiten, sonst einen Ort der Ruhe und Entspannung darstellt, haben sie mit euch zu Besuch auch viel mehr Arbeit im Haushalt. “Wir gehen dann feiern, schlafen aus und machen uns stundenlang vor dem Fernseher breit. Intuitiv würden wahrscheinlich die wenigsten von uns bei einem Besuch unaufgefordert das Haus putzen. Wenn wir zu Besuch sind wollen wir faulenzen, uns bemuttern und bekochen lassen.” gesteht Felix* aus Stuttgart. Für Studierende kommt das Zuhause in den meisten Fällen nämlich einem Urlaubsort gleich. Aber nach ein paar Tagen hat es sich eben „ausbemuttert“ und man wird auf einmal nicht mehr bekocht und verwöhnt, sondern soll auch noch helfen. Die Erwartungen sind also zu hoch.

Gibt es eine Lösung? Und wollen wir das überhaupt?

Eine Sache ist klar: ohne Eigenanteil kann kein Problem gelöst werden. Wut auf die Eltern im Erwachsenenalter kann vorkommen, aber auch hier müssen beide Parteien aneinander arbeiten, um die Konflikte aus der Welt zu schaffen. An erster Stelle steht nämlich die Selbstreflexion und Arbeit an sich selbst, toleranter und verständnisvoller zu werden, aber auch daran, nicht alles persönlich zu nehmen. Sophie* aus Frankfurt sieht ein, dass “wenn kleine Streitigkeiten aufkommen, dann meistens weil ich mich respektlos verhalte und über Nichtigkeiten aufrege”. So etwas lässt sich etwas später, wenn sich alle beruhigt haben, am besten in Ruhe besprechen. Mit mehr Verständnis gegenüber der anderen Generation ist also schon viel geholfen. Aber auch seitens der Eltern sollte dieses Verständnis eben nicht fehlen. So könnt ihr verlangen, genügend Freiraum und Privatsphäre zu bekommen. Im Gegenzug solltet ihr aber auch eure Bereitschaft zu Kompromissen (beispielsweise im Haushalt zu helfen) zeigen, und “unseren Eltern bei einem Besuch das Gefühl geben, dass sie uns nichts bieten müssen” meint Felix.

Interessanterweise hatten fast alle Befragten sofort einen Lösungsvorschlag parat, Streit mit den Eltern im Erwachsenenalter besteht aber trotzdem. Offensichtlich wissen die Studierenden also, wo die Probleme sind, und wie man sie aus der Welt schaffen könnte. Die Frage ist aber, wollen sie das überhaupt? Max aus Weimar findet solche Auseinandersetzungen gut und wichtig: “Ich fände es furchtbar, wenn Generationen nicht mehr streiten und nicht mehr in den Konflikt treten würden. Die Auflehnung gegen die Eltern kann auch gut sein, eine Motivation Neues zu erreichen, eine Rebellion. Ohne Diskussionen wäre es ja auch furchtbar langweilig zu Hause”.